Audio- und Videokontrollnetze im Unterricht

Aus BUS 42 (4/2000), Seite 22-23
(Georg Schlagbauer, Zentrtralstelle für Computer im Unterricht, Referat Hardware)
(Dipl.-Psych. Udo Karl, Zentrtralstelle für Computer im Unterricht, Referat Wissenschaft)

Computer sind von ihrer Konzeption her nicht für Präsentationen eingerichtet, so dass vor allem in den Anfängen immer eine Notlösung für die Schulen geschaffen werden musste. Die Qualität der Darstellung auf herkömmlichen Fernsehgeräten genügte bald nicht mehr den Möglichkeiten, der fortentwickelten Grafikkarte, die aufkommenden LCD-Displays waren so lichtschwach, dass nur bei verdunkeltem Raum ein Bild erkennbar war. Videonetze, die ein Bild an alle angeschlossenen Monitore verteilen, boten für die gestiegenen Ansprüche wieder brauchbare Möglichkeiten, der Darstellung z. B. von grafischen Bedienoberflächen zu genügen und im Klassenverband Inhalte am PC zu demonstrieren.

Von Anfang an erkannte man bei den Videonetzen jedoch auch die umgekehrte Nutzung. So wie sich das Videosignal vom Lehrer-PC zu den Schülermonitoren übertragen lies, war es auch möglich, das Monitorsignal eines Schüler-PCs zum Lehrermonitor zu übertragen. Dieser Kontrollmodus wurde immer weiter perfektioniert. Über automatisierte Scan-Schaltungen wurde es möglich, im Sekundenrhythmus wie bei der Videoüberwachung von Kaufhäusern zur Vermeidung von Ladendiebstahl die Aktivitäten der Schüler zu überwachen, um bei Bedarf mit einem kritischen Blick jede ungewollte Kreativität rechtzeitig zu unterbinden. Durch die Übernahme der Tastatur- und Maussteuerung konnte man bei einem Schüler unmittelbar in dessen Arbeitsablauf eingreifen. Als sich zunehmend Soundkarten in den PCs etablierten, wollte man auch diesen Bereich von einer möglichen Fernüberwachung nicht ausschließen und entsann sich der aus dem klassischen Sprachlabor bekannten Audiotechnik.

Weitere Einschränkungen der Schüleraktivitäten wurden mit Reglementierungssoftware möglich. Der übliche Startbildschirm eines PCs wird dabei durch eine Maske verdeckt, etwaige dem Schüler bekannte Tastenkombinationen zum Umgehen dieser Maske sind blockiert. Der Lehrer bestimmt am Master-PC, welche Programme der Schüler starten darf oder startet diese gleich selbst, er unterbricht oder beendet diese Programme auch wieder oder sammelt ferngesteuert die Ergebnisse der Schülerarbeit ein. Die Möglichkeiten eines Schülercomputers lassen sich somit problemlos auf die einer gewöhnlichen Schreibmaschine reduzieren.

Ob und wie die zur Verfügung gestellten Möglichkeiten wahrgenommen werden, hängt von der Grundeinstellung des einzelnen Lehrers ab. Das zentrale Steuerungskonzept passt jedoch nur bedingt zu schülerorientierten Unterrichtsformen und verführt leicht dazu, lediglich sich bei einer Disziplinierung der Schüler durch ein Zuteilungs- und Kontrollsystem zu entlasten.

Pädagogisch didaktisch präparierte Bedienoberflächen sind für schulische Anwendungen sinnvoll und in speziellen Fällen auch nötig. Im Mittelpunkt steht die Kunst einer Lehrkraft, den Schülern einen pädagogischen Freiraum zur Verfügung zu stellen, der als Lernumgebung didaktisch optimiert wurde. Schüler sind nämlich durchaus in der Lage, sich in komplexen Systemen zurechtzufinden, die Komplexität ist notwendige Voraussetzung einer Herausforderung für Leistung und für die Förderung der geistigen Entwicklung. Die Aufgabe des Lehrers ist es, einer Überforderung durch die didaktisch geschickte Gestaltung der Lernumgebung vorzubeugen und dem Lernfortschritt anzupassen. Experimentierfreude und Spieltrieb sind fundamentale Bestandteile menschlichen Lernens. Eine gute Lernumgebung regt beides an und führt zu nachhaltigen Bildungsergebnissen.

In der Regel entspringt die Aufgeschlossenheit vieler Lehrer für solche als "pädagogisch" bezeichnete technische Hilfen wohl eher einer tiefer sitzenden Angst vor neuen noch ungeregelten Verhaltensweisen bei schülerorientiertem Unterricht. Diese wird noch verstärkt durch Unsicherheit im Umgang mit dem PC und der Befürchtung, es könnte Unvorhergesehenes und nicht mehr Beherrschbares geschehen. Ein Fehlschluss ist es, die Kontrolle über das Gesamtgeschehen über die Kontrolle der Computer erreichen zu können. Der Computer ist zwar ein Kontrollgerät, aber für formale Prozesse, nicht für zwischenmenschliche Kontakte. Eine Beschränkung auf Lösungen, die den Zugriff auf Programme und Ressourcen generell beschränken, widersprechen nicht nur der Forderung nach ganzheitlicher, an Lernaufgaben orientierter Ausbildung, sie sind darüber hinaus auch in keiner Weise geeignet, die Medienkompetenz der Schüler zu stärken.

Unter pädagogisch-psychologischen Gesichtspunkten gilt es zu bedenken, dass eine Überwachung für Schüler, zumindest ab der Pubertät, als unangenehm und hemmend erlebt wird und Arbeitsabläufe stört. Im Umgang mit Schülern kann man immer wieder beobachten, dass diese fehlerhafte oder unfertige Ergebnisse noch nicht präsentieren wollen und auch vor den Blicken des Lehrers, der helfend eingreifen könnte, verbergen. Dieses natürliche Verhalten muss bei Schülern akzeptiert werden, weil beim selbstverantwortetem Lernen das Fehlermachen Teil des Lernprozesses ist und Schüler ein Recht darauf haben, in ihrem Bemühen um ein fertiges Produkt ernst genommen zu werden. Wenn der Schüler Hilfe braucht, sollte die Initiative vom Schüler ausgehen. Unter pädagogischem Aspekt ist das unmittelbare Gespräch am Arbeitsplatz des Schülers eine echte Zuwendung, der distanzierte Dialog von Computer zu Computer ist menschlich leer. Durch Überwachung der Schülerplätze vom Lehrerplatz aus wird der eigentliche unterrichtliche Nutzen nicht erhöht.

Der Einsatz solcher als "pädagogischer" bezeichneter Kontrollnetze wird aus den genannten Gründen von vielen Fachdidaktikern und Psychologen kritisiert und stellt sicher kein Konzept dar, das Verbreitung finden sollte, denn es stärkt den lehrerzentrierten und lehrerkontrollierten Frontalunterricht und behindert ein selbstgesteuertes Lernen in einer multimedialen Unterrichtsumgebung.

Die Entscheidung, ob in einem EDV-Raum ein "pädagogisches Netz" installiert werden soll, ist grundlegend und beeinflusst das Schulklima wesentlich. Wünschenswert wäre es deshalb, wenn sich die Schule, z. B. in einer pädagogischen Konferenz, mit diesen Konzepten auseinandersetzt und so zu einem fundierteren Urteil kommen kann, ob die mit einem "pädagogischen Netz" verbundenen Funktionen für die Schule oder Teile eines Fachunterrichts eine angemessene Lösung der Probleme dieser Schule darstellen.

 

Argumentativ werden mit der Werbung für "pädagogische Netze" weitere, durchaus sinnvolle und in einem EDV-Betrieb notwendige Funktionen vermengt z. B.:

Zur Präsentation des Lehrerbildschirms bieten Daten- Video- Projektoren eine technisch einfache und leicht handhabbare Möglichkeit. Zudem wird beim Einsatz der Projektoren der Blick der Schüler wieder wie beim klassischen Unterricht an der Tafel gesammelt. Die Schüler sind leichter ansprechbar, da sie ihren Blick nach vorne richten und sich nicht hinter einem Monitor verstecken.

Die Forderung, dass sich Arbeitsplätze beim Start in einer dem Lehrer und Schüler vertrauten Form präsentieren und sich der Lehrer dadurch auf Inhalte konzentrieren kann, ist vernünftig und notwendig. Auch dafür gibt es dem Einsatzzweck angemessene Lösungen, die jedoch gerade nicht voraussetzen, dass der Blick auf die Funktionen des PC verwehrt und informationstechnische Bildungsarbeit unterbunden wird. Neben der reinen Anwendungsschulung ist vor allem an weiterführenden Schulen auch eine Systemschulung notwendig. Es macht deshalb keinen Sinn, Schulungsrechner so "dicht" zu machen, dass sie in der Bedienung mit einem herkömmlichen PC nichts mehr zu tun haben.

 

Technische Realisierung von Audio- und Videonetzen

Als reine Hardwarelösung wird ein Audio-Videonetz durch zusätzliche Verkabelung für Audio- und Videosignale und der nötigen Steuersignale realisiert. An jedem PC werden die Verbindungen zwischen den peripheren Geräten wie Monitor, Tastatur, Maus, Kopfhörer und Mikrofon mit dem PC aufgetrennt und über eine Switch-Box geführt, die auch als Karte in den PC eingebaut sein kann und vom PC auch die nötige Stromversorgung bezieht. Der zusätzlich erforderliche Verkabelungsaufwand ist in jedem Fall sehr hoch. Über eine separate Steuertastatur am Lehrerplatz wird das Audio-Videonetz bedient.

Prinzipiell lassen sich Audio- und Videodaten auch ohne zusätzliche Verkabelung über das LAN übertragen. Beim Videonetz ist dies z. B. zur Fernwartung von PCs seit langem realisiert und auch für Schulen wird entsprechende Software angeboten. An die Grenzen stößt diese Technik bei der Übertragung von Bewegtbildern. Anders als eine reine Hardwarelösung ist die Videoübertragung über ein LAN auch immer vom verwendeten Betriebssystem abhängig, so dass Inkompatibilitäten mit bestimmter Hardware oder systemnaher Software prinzipiell nicht auszuschließen sind.

Die Audio-Live-Übertragung über das lokale Netz ist zwar technisch prinzipiell gelöst (Stichwort: Voice over IP), aber softwaremäßig noch nicht realisiert. Dennoch erscheint der zusätzliche Schaltungs- und Verkabelungsaufwand für ein Hardware-Audio- oder Videonetz aus heutiger Sicht als zu kostenintensiv, unflexibel und nicht mehr zeitgemäß.

Georg Schlagbauer, Udo Karl


Auszug aus der Zeitschrift BUS der Zentralstelle für Computer im Unterricht, Augsburg

Georg Schlagbauer, Referat Hardware